
- Gesellschaft & Demokratie
- Dezember 2025
Mensch sein: Wie uns unsere Verletzlichkeit zusammenbringen kann
Themenreihe „Was uns verbindet“
Was Menschen fundamental verbindet, sind nicht nur gemeinsame Werte oder Zukunftswünsche. Es ist das Wissen um die eigene Vergänglichkeit. Freude, Trauer, Angst und Verlust gehören zum Leben dazu. Diese Erkenntnis verbindet uns alle.
Unsere Forschung zeigt: Fast alle Menschen in Deutschland wünschen sich ein Leben in Frieden und Sicherheit (97 Prozent). 77 Prozent glauben, dass genau die Sorge um ein gutes und sicheres Leben die allermeisten Menschen verbindet. Bei knapp der Hälfte (49 Prozent) führt diese Sorge zu gefühlter Angst vor dem Tod. In der Erkenntnis, dass wir fundamentale Gefühle und Erfahrungen mit allen Mitmenschen teilen, liegt eine Chance für Verständigung.
Verletzlichkeit als Brücke
Viele aktuelle Debatten werden laut und mit voller Härte geführt. Meinungsverschiedenheiten und Aushandlungsprozesse sind essenziell für eine pluralistische Gesellschaft. Gefährlich wird es jedoch, wenn wir unser Gegenüber nicht mehr als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkennen. Hier kann es helfen, den Fokus auf das gemeinsame „Mensch sein“ und die damit verbundene Verletzlichkeit zu legen.
Ein Beispiel: In den ersten Monaten der Corona-Pandemie sagten 74 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Covid-19 uns daran erinnert, dass wir unabhängig von unserer Herkunft als Menschen im Grunde alle gleich sind. Auch Vereinzelungsgefühle waren zu Beginn der Pandemie rückläufig. Im ersten Moment einer gefühlt existenziellen Bedrohung sind wir im Land näher zusammengerückt. Das kann Mut machen.
Was das für die Praxis bedeutet
Ein Ansatzpunkt für zivilgesellschaftliche Akteure kann es sein, diese Gemeinsamkeit zum Ausgangspunkt für Gespräche zu machen. Gespräche über fundamentale Erfahrungen wie Trauer, Angst und Verlust sowie das Bedürfnis nach Hoffnung und Sinn können den Blick auf das Wesentliche lenken. So verschieden wir sein mögen: Am Ende wollen wir auf ein erfülltes und glückliches Leben zurückblicken. In dieser Hinsicht tragen wir auch füreinander Verantwortung und können auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens bauen. 92 Prozent der Menschen sagen, jeder sollte so leben können, wie er oder sie das möchte, solange niemand anderes dadurch zu Schaden kommt.
Die Publikation enthält Reflexionsfragen für die zivilgesellschaftliche Arbeit.
Themenreihe: Was uns verbindet
In unserer Themenreihe „Was uns verbindet“ geben wir Einblicke in unsere Forschung und liefern Impulse, wie die Erkenntnisse in die (zivilgesellschaftliche) Praxis übertragen werden können. Dabei ist uns ein nuancierten Blick wichtig: Der Fokus auf Gemeinsamkeiten sollten nicht als rosarote Gesellschaftsbrille verstanden werden. Denn nicht nur zeigen viele Studien, dass sich die Menschen in Deutschland aktuell vor allem in einem negativen Blick auf das Land einig sind, sondern Gemeinsamkeiten werden auch immer wieder genutzt, um abzugrenzen und auszuschließen. Wir nehmen von daher in den Blick, was uns als Gesellschaft als Ganzes verbindet, wo neue oder bisher unentdeckte Gemeinsamkeiten liegen – und wie hier eine kollektive Handlungsfähigkeit entstehen kann.
Das Projektteam
Sarah Wohlfeld
Anna Lob
